Impfen statt Golfen – Offener Brief an NRW-Gesundheitsminister Laumann

Sehr geehrter Herr Laumann,
auch wenn ich mich als Hausärztin und dreifache Mutter von Ihrer Aussage „Statt Golfplatz am Samstag, Impfen am Samstag“ beim Medica Econ Forum der Techniker Krankenkasse nicht angesprochen fühlen muss, so möchte ich doch stellvertretend für meine KollegInnen rund herum Ihre Aussage ausdrücklich zurückweisen.
Sie zeigen mit diesem vollkommen unberechtigten Frontalangriff auf uns Hausärzte wieder einmal, wie weit Sie von der Realität der Praxen vor Ort entfernt sind – so es eine Nähe jemals gab.
Sie zeigen einmal mehr die vollkommene Geringschätzung für einen ganzen Berufszweig, der zumindest politisch zu Ihrem Fachbereich zählt.
Die Situation in den Hausarztpraxen ist aktuell geprägt von maximaler Auslastung, meist täglich sogar von Überlastung: das aktuell zu behandelnde Infektgeschehen, die laufenden Grippeschutzimpfungen und darüber hinaus Corona-Schutzimpfungen hinterlassen im ärztlichen Alltag maximale Spuren.
Insbesondere in Hinblick auf unsere PatientInnen ist Ihnen in der jüngeren Vergangenheit nicht viel Besseres eingefallen, als alle SeniorInnen über 70 anzuschreiben und an eine Booster-Impfung zu erinnern. Mir als Hausärztin haben Sie damit einen Bärendienst erwiesen, denn damit haben Sie das Kommunikations- und Informationschaos in den Köpfen meiner PatientInnen nur vergrößert.
Sich hinzustellen und zu sagen „Die Hausärzte wollten es ja so.“ ist einfach dreist und wissentlich falsch! Ja, wir wollten frühzeitig mitimpfen, denn der Impffortschritt war zu Beginn der Impfungen schlichtweg zu gering. Jetzt daraus abzuleiten, dass Hausärzte (an die Sie ja hier klar adressieren) den Impffortschritt faktisch im Alleingang schaffen sollten, ist in Anbetracht der Zahl noch Ungeimpfter sowie der zu bewältigenden Drittimpfungen erneut vollkommen realitätsfern.
Aktuell werden sämtliche Praxen, mit denen ich in Kontakt stehe, schier überrannt. Auch ohne Ihre dreist formulierte Forderung und auch losgelöst von einem Samstagbonus hat unsere Praxis bereits zuvor nahezu alle kommenden Samstage zu Impftagen erklärt – schlichtweg, weil wir sonst keine Chance haben, unsere PatientInnen zu versorgen. Im Sprechstundenalltag, der sich dank überbordender Bürokratie nicht zuletzt auch rund um die Corona-Impfungen bzw. die damit verbundenen Koordinations- und Kommunikationsaufgaben zeitlich stark ausgedehnt hat, ist dies allein nicht zu schaffen.
Herr Laumann, an dieser Stelle zunächst einmal: Danke für nichts! Auch im Namen meiner Praxismitarbeiterinnen, die ebenfalls mit maximalem Engagement und Verzicht auf Familien- und Erholungszeit am Wochenende mitwirken.
Vielleicht sollten Sie überlegen, ein anderes Ressort zu übernehmen, dass Ihnen vielleicht besser liegt. Im Bildungsministerium wäre auch einiges zu tun, als Mutter dreier schulpflichtiger Kinder weiß ich das nur zur gut.
Aber nein! Da würde Ihnen wahrscheinlich auch nicht mehr einfallen, als das Lüften zu intensivieren…
Wie auch immer – wir impfen weiter, versprochen!
Viele Grüße aus Bonn,
Claudia Nebel und das Team der Hausarztpraxis Friesdorf
P.S. Um eine etwaige Vernachlässigung der Versorgung meiner PatientInnen während des Verfassens dieses Briefes müssen Sie sich keine Sorgen machen: Es ist mittlerweile 23:25 Uhr und ich habe vor etwa einer halben Stunde die letzte Patientenmail beantwortet und alle eingegangenen Impftermine für morgen bestätigt. Es lebe die Work-Life-Balance.